2013/07/31

STILLE Film

Das literarische Motiv "Robinsonade" steht für die Isolation auf einer Insel. Die österreichische Schriftstellerin Marlen Haushofer wusste dieses Motiv umzuwandeln und übertrug es ergreifend auf:

________DIE WAND________

Sonnige Tage, die uns dazu einladen Urlaub in und mit der Natur nachzugehen. Beispielsweise in einer Ferienhütte beruhigt, abseits von der schnelllebigen Gesellschaft, dem Lauf der Dinge für ein paar Tage nachzugehen und sich entspannen zu können.

So entschlossen sich ein älteres Paar und eine jüngere Dame mittleren Alters an eben solch einem Ort dem Alltag zu Trotzen. Hugo und Luise brechen noch einmal kurz ins nahegelegene Dorf auf. Die Frau macht es sich schon einmal gemütlich.
Am nächsten Morgen ist sie allein.
Die namenlose Protagonistin (Schauspielerin Martina Gedeck) ist unfreiwillig in Ihrer Situation gefangen. Fast schon experimentativ zum Zwecke der Erforschung des inneren Ichs, ist sie, von der unsichtbaren Wand ummauert, in Ihrem Lebensraum scheinbar fatalistisch eingegrenzt.

Für das, was nun, neben ihrem auflehnenden Momenten und dem Entgegenwirken ihres
vermeintlichen Schicksals geschieht, verwende ich gern mit den Terminus "Slice of Life", da nach ihrer Adaption an die gegebenen Umstände ebenso die Aufzeichnung eines alltäglichen Lebens geschildert wird, wie es ohne greifbare, menschliche Zivilisation vonstatten gehen könnte.
"Die Zeit steht ganz still und ich bewege mich in ihr. 
Manchmal langsam und manchmal mit rasender Geschwindigkeit"
Nebenher notiert sie ihre Erlebnisse und Erfahrungen auf jeglichem, wenn auch bereits bedruckten Papier, um ihrem Verstand die verrückten Gedanken einer Resignation oder gar Depression zu verbieten. Diesen zum Schluss zusammenfassenden "Bericht" kann man als ihren Hoffnungsträger, ihr Lebenszeichen ansehen, auch, wenn sie zu Beginn noch sagt:
"Heimweh und die Sorge um die Zukunft wichen langsam von mir."
Analeptisch erzählend erinnert sie sich mit diesem Schreibprozess an ihre Geschichte nach und in der Wand.
Geblieben ist ihr der zunächst fremde Hund, Luchs, der bald ihr stets begleitender Freund wird. Zwischen ihnen herrscht ein:
"Stillschweigendes Verstehen"
Um zu Überleben, erscheinen ihr Deus ex machina z.B. eine Kuh, die sie Bella tauft, ihr fortan Milch spendet, sowie trächtig zu sein scheint und im späteren Verlauf tatsächlich ein männliches Kalb gebährt. Sie gewöhnt sich an Ihr Umfeld, denn sie muss. Mittels der Tiere, den Ertragnissen aus landwirtschaftlichen Arbeiten und dem Wald sichert sie sich ihre Ernährung.

Auch eine zugelaufene Katze beherbergt sie. Diese bekommt ein schönes, weißes, langhaariges Junges, Perle, welche Frische ins Haus bringt. Im kalten, unerbitterlichen Winter lässt sie jedoch eines Tages ihr Leben.
"Ich war kälter als der Wind und fror nicht."
Was der Winter ihr nahm, gab ihr der Sommer zurück. Sie lebte sich dann auf einer ferner gelegenen Almhütte ein und genoß regelrecht mit ihren Tieren auf der grünen Weide die weite Panoramasicht, sowie die
"sternefunkelnden Abende." 
Nach einem solch langen Kampf und der Eingewöhnung hat sich die friedseelig gewordenen Protagonistin auch angenehme, wärmende Momente verdient. Von ihrer Vergangenheit gelöst, ist sie in diese neue Ordnung hineingewachsen.
"besänftigt - nicht glücklich, aber zufrieden"
Beinahe in Vergessenheit geraten sind ihr die Menschen.
Solch einen findet sie unverhofft vor, als sie nach einem Spaziergang Gefundenes zur Hütte transportieren möchte. Verwahrlost und scheinbar nicht bei Sinnen. Ihre bisherigen besten Freunde den Stier und Luchs werden gerade mit einer Axt tödlich verwundet. Ohne bemerkliches Zögern rennt sie in die Almhütte, greift nach ihrem Gewehr und zielt entschlossen auf den wütenden Eindringling. 
Diesmal sind wir still, die Protagonistin hingegen schlägt, obgleich sie für Ihren Freund weiterhin trauert und seinen Geist im Wald ab und an zu spüren scheint, sich weiter durch ihr jetziges Leben. Schöpft Hoffnung aus der abermals schwangeren Bella und ihrer Katze.
Wir sehen die Frau nun als eher harte, an die Natur angepasste, jagende Einzelgängerin, Waldläuferin und Überlebenskämpferin.
Sinnbildlich für Ihr Dasein identifiziert sie sich mit einer weißen Krähe, die stets etwas abseits von ihren dunkelgefiederten Artgenossen ein einsames, ausgestoßenes, aber akzeptiertes Leben zu führen scheint. Sie füttert sie. Alles wirkt beinahe friedlich und in diesem Moment wirkt ihr Charakter wieder weich und verletzlich.

Mit dem Filmende geht ihr auch das Schreibpapier aus - Folglich bleibt: Ein mehrdeutiger, ungewisser Schluss - kein Ende ihres Seins. Assoziative Gedankenspiele in alle Richtungen werden somit gekonnt offen gelassen.

 ________Fazit________

Sind großartige Werke (in diesem Fall Filme) nicht diejenigen, die eine eigene Welt erschaffen und dennoch die grundlegenden Gefühle des Menschen mit minimalistischen Elementen, wie Gesten, Sätzen, musikalischen Einlagen und/oder Bildern berühren? Dieser Film schafft genau diese Synthese von Nah und Fern, fremd und bekannt. Eine beklemmende, wahrhaftige und dennoch utopische Atmosphäre.

Wer den Film noch nicht kennt und keine Scheu vor der dramatischen Darstellung der Stille, Einsamkeit und dem Arrangement mit dieser hat, sollte sich den Film zu Gemüte führen.
Mein Rat: Schaut ihn allein und teilt euch danach gegenseitig eure Gedanken mit. Das Ein-fühlen in die Situation der Protagonistin ist folglich konzentrierter.
Ein Vorgeschmack:
________Trailer________


________Eure Meinung________
    • Was denkt Ihr wird mit der Frau passieren? 
    • Was wünscht Ihr euch für sie?

Falls Ihr das Buch gelesen haben solltet, so lasst Eure Meinung bezüglich des Schreibstils, der Autorin, der Charaktere und/oder dem Gesamteindruck der Geschichte wissen!
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"Die Wand"
 Sarah Schmidt

2013/07/18